Navigationshilfe: Startseite >> Aktuelle Seite

Eine  Familien – und Firmengeschichte
Episode: Fritz und Gisela Adrian von 1946 - 1986

geschrieben von Gisela Adrian 2007

Dies ist eine wahre Geschichte. Eine Geschichte, die so und ähnlich  nur in den verrückten, aber schönen Jahren nach dem Krieg , also  ca. 1946 – 48,   ihren Anfang nehmen  konnte! Die Geschichte, wie zwei Menschen mit völlig verschiedenem Hintergrund,  aus völlig unterschiedlichen Familien zusammen kamen  und  schließlich nach allerlei Kämpfen eine Zukunft aufbauten. Unsere, meine Geschichte, die Geschichte von Fritz und Gisela Adrian .

Giseal und Fritz
Fritz ca 1983 - 60 Jahre alt                  Gisela ca 2009 - 80 Jahre alt                               

 

1.   Fritz Adrian

Fritz wurde 1922 in Altwiedermus geboren. Altwiedermus war – und ist auch noch heute! -  ein kleines Dorf in Hessen, in der Nähe von Hanau., jetzt Ortsteil von Ronneburg.  Er war das einzige Kind seiner Eltern, des Schreiners und Landwirtes Heinrich Adrian und seiner Frau Margarethe, Gretchen genannt.  Verwöhnt wurde er aber keineswegs, dazu hatten „Mamme“ und „Baabe“ gar keine Zeit. Meistens war Fritz den Großeltern überlassen, die ebenfalls zur Familie gehörten.

Adrians Gretchen war eine Bauerntochter mit Leib und Seele, und die Landwirtschaft ging ihr über alles. Sie war rau und poltrig,  dabei aber herzensgut und gänzlich ohne Arg. Gar zu gerne hätte sie zu den ganz „großen“ Bauern gehört!  Sie drang darauf, dass immer neue Äcker gekauft wurden und  hätte aus ihrem Mann gerne einen besseren Landwirt gemacht. Der aber stand lieber in seiner Werkstatt, die schon sein Vater gegründet hatte, und  reparierte wie dieser  Fenster, machte „Bänkel“,  neue Hackenstiele und  auch Möbelstücke oder einen Sarg.  Nach Feierabend saß er gerne auf der Hobelbank, einen „Bembel“ selbst gemachten Apfelwein daneben, und beratschlagte mit Nachbarn  und Freunden die kleine und große Politik.

Der kleine Fritz  wurde oft, wenn denn gar niemand Zeit hatte, bei Nachbar Goldschmitt und seiner Frau Jettchen abgegeben. Die passten getreulich auf ihn auf, und zum Dank hat Fritz ihnen später auch den „Schabbes – Goi“ gemacht. Was das war? Nun, dem gläubigen Juden ist es streng verboten, am Samstag, dem Sabbat oder „Schabbes“, auch nur die kleinste Arbeit zu tun. Dafür wurde dann ein Christ, ein „Goi“, angestellt. Und so hat denn Fritz Wasser geholt, Holz herein getragen und  allerlei kleine Handreichungen gemacht.

Auch bei den „Untergässer“ Großeltern war der kleine Fritz  öfters, den Eltern seiner Mutter. Da gab es den „Petter“ (Pate) Fritz und den lustigen Onkel Heine, der ihn zu allerlei Streichen anstiftete, die Fritz oft in Konflikt mit seiner „Mamme“ brachten. Und Sonntags kam  immer ein Problem auf ihn , ein unausweichlicher Kampf, der jedes Mal neu ausgefochten und neu verloren wird: erst das Waschen unten im Zimmer in aller Frühe unter  der liebevollen, aber rauen Hand der Mamme, dann die grässlichen „Leib – und Seelhosen“, die er anziehn muss, und zum Schluss das Schlimmste : die langen, gestrickten schwarzen Strümpfe!  Dieses Jucken auf der frisch gewaschenen Haut, ganz furchtbar!  Jedes Mal muss Fritz Krach und Zirkus veranstalten, aber es hilft nichts, die Mamme ist unerbittlich.

Als Fritz größer war, so mit 11 – 12 Jahren, musste er schon feste mithelfen in der Landwirtschaft. Und mit 15 Jahren ganz allein als Handlanger dienen beim Bau des neuen Kuhstalles, dem Stolz der Mutter!  Er war aber auch ein guter Schüler, und sein Lehrer hätte ihn gerne auf eine höhere Schule geschickt. Aber nichts da, er war der einzige Sohn, wer sollte denn später die Landwirtschaft übernehmen?!  So die Mutter, und der Vater sagte nichts dazu, er wollte ja keinen Streit mit seiner Frau.  Fritz  fügte sich vorerst, aber er hatte andere Vorstellungen von seinem Leben. Insgeheim träumte er von einer größeren Werkstatt mit einigen Angestellten,oder einem kleinen Sägewerk.

Der Krieg  zerstörte erst einmal alle Träume. Mit knapp 18 Jahren musste Fritz Soldat werden und das Vaterland verteidigen.  Er kämpfte  in Frankreich und Russland und hatte viele schlimme Erlebnisse, die ihn sein ganzes Leben lang in seinen  Träumen verfolgten.  So mancher seiner Altersgenossen kam nicht zurück in die Heimat.  Aber Fritz  hatte Glück, er wurde nur  leicht verwundet  und nach Kriegsende relativ schnell aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen. Und da stand er nun,  über seine Jahre hinaus gereift und musste sein Leben und seine Zukunft  neu überdenken. Nur Landwirt  wollte er auf keinen Fall sein, das wusste er jetzt genau . Aber die   Schreinerwerkstatt war ja da,  also holte  Fritz nun auf die Schnelle eine Lehre nach und absolvierte die Gesellenprüfung.  Das ging damals relativ leicht und einfach für entlassene Soldaten. 

                                                                    
2.  Gisela  Goedecke                                 

Ganz anders  mein bisheriges  Leben!   Ich  wurde 1929 in Frankfurt geboren und hatte zwei  jüngere Brüder.  Unser  Vater Helmut Goedecke war Bankkaufmann, die Mutter Ria eine liebe, stille , unauffällige  Frau, die nur für ihre Kinder lebte. (Und der wir, nebenbei bemerkt,  auf dem Kopf herumtanzten, besonders ich!) Unsere  Familie wohnte zusammen mit den Großeltern mütterlicherseits  in einer großen, komfortablen 6-Zimmer – Wohnung. Für diese und für unsere  Lebenshaltungskosten kam zum großen Teil der Opa auf. 

Der stammte ebenfalls aus  Altwiedermus ,  aber seine Eltern hatten ihm unter großen Opfern ein Architekturstudium ermöglicht, und nun  entwarf er als gut bestallter und gut bezahlter selbständiger Architekt Wohnhäuser und Geschäftsgebäude.  Unser Oberhaupt aber  war unbestritten die „Omi“!  Sie hatte alle unauffällig, aber sicher im Griff und regierte den Haushalt mit Hilfe eines ständigen „Dienstmädchens“. Für die „große Wäsche“ kam alle vier Wochen eine extra Waschfrau,  daneben regelmäßig noch eine Hilfskraft zum Nähen, Stopfen und Flicken.

Ich  hatte eine schöne, geborgene und glückliche Kindheit!  Mir  und den Brüdern wurde fast jeder Wunsch erfüllt. Ich  durfte mit den Großeltern in die „Sommerfrische“ verreisen,  in den Schwarzwald, den Spessart oder Odenwald, und das war zu damaliger Zeit  nichts Alltägliches!   Ich war eine recht gute Schülerin, wie in n der Grundschule, so auch später  in der so genannten Mittelschule.  1939 hatte der 2. Weltkrieg begonnen, aber vorerst  merkte man  nicht allzu viel davon.  Ich  sammelte Filmpostkarten, schwärmte für diverse Schauspieler  und auch für „Kriegshelden“ wie die Fliegerasse Mölders und Galland oder den U-Boot-Kommandanten  Günter Prien. Kurz,  das Leben war schön und sorglos, und ich lebte in der beruhigenden Gewissheit,  zu den „besseren Leuten“ zu gehören!

Das alles änderte sich  1943.   Die Fliegerangriffe auf Frankfurt, früher eher als eine Art Abenteuer erlebt, wurden immer stärker und gefährlicher. Am Tag und in der Nacht  ertönten die Sirenen, und man musste schleunigst in den Keller flüchten.  Da saßen wir  dann zitternd und bebend zusammen mit den anderen Hausbewohnern und hörten  das Brummen der Flugzeugmotoren, das Wummern der Flak und das Pfeifen und Krachen der einschlagenden Bomben rundum. Unser  Haus blieb vorerst verschont, aber das konnte sich jeden Tag ändern,  und so wurde die Flucht aufs Land beschlossen.

Natürlich dachte man an Opas Heimat Altwiedermus, wo ja noch Verwandte und Freunde Opas lebten. Dort sollten  denn auch einige Räume eines  alten, leer stehenden Gebäudes notdürftig für uns  bewohnbar gemacht werden.  Bis dahin waren wir , die „Mami“ und wir drei Kinder,  mit einem Evakuiertentransport  in die Wetterau verfrachtet worden. Endziel: Münster bei Lich. 

3 Monate dauerte dieses Exil, es war eine ziemliche Umstellung!  Uns  Kindern machte es weniger aus, das Wohnen  zusammen in einem kleinen Raum,  die abendlichen „Flohjagden“ vor dem Schlafengehn, das Zusammenleben mit einer Bauernfamilie, bei der man alles andere als willkommen war!  Egal, alles war erst einmal neu und interessant. Die beiden Jungen lernten innerhalb kürzester Zeit perfekt Oberhessisch,  ich selbst  ging bereitwillig  mit zur Feldarbeit, und in der  Dorfschule waren wir dank  unserer städtischer Bildung  den andern haushoch überlegen!  Aber die Mami litt still vor sich hin  unter der offen gezeigten Missachtung der Hauswirtin und zählte die Tage bis zur Erlösung. Im Dezember war es dann soweit.

Es war ein dunkler Wintertag, als wir schließlich in Altwiedermus ankamen.. Es schneite. Wir öffneten eine alte, verwitterte Haustür mit einem riesigen Schlüssel und standen in einem dunklen Vorraum., auf löchrigem Zementboden. Der Putz bröckelte von den Wänden . Im Hintergrund eine uralte Treppe mit splittrigen Stufen, mit Dachlatten als notdürftiges Geländer.  Zaghaft gingen wir die Treppe hoch. Oben das gleiche Bild:  alte raue Holzdielen, bröckelnder  Putz, schwarze Spinnweben mit dem Staub von Jahrhunderten, so schien es, in den Ecken. Alles beleuchtet von einer einsamen, schwachen Glühbirne. Uns sank das Herz.

Aber dann kamen wir an eine neue Holztür. Als sie aufging, ging uns auch das Herz auf: Wir waren daheim!  Ein Bulleröfchen brummte und strahlte gemütliche Wärme aus . Der Boden war frisch gedielt, die Wände verputzt und geweißt. Und da standen unsere Schlafzimmermöbel, die Betten für die Jungen und vorne am Fenster unser  runder Tisch mit  den vier  Stühlen, alles bekannt und vertraut.  So eng  das Zimmer, dass man sich fast nicht umdrehen konnte, aber egal, wir waren daheim!.

 Im Erdgeschoss gab es noch ein weiteres ähnliches Zimmer für die Großeltern, sowie eine kleine Küche mit einem  alten schwarzen Herd  und Backsteinfußboden.  Das war also jetzt bis auf weiteres unser Zuhause. Zwar mussten wir Wasser an einer Pumpe im Nachbarhaus holen, Schmutzwasser in die Gosse ausleeren  und ein gebrechliches Plumpsklo im Hof benutzen, dafür brauchten wir aber auch niemandem zur Last fallen, hatten sozusagen ein Haus für uns allein. Und wir waren  nun auch keine „besseren Leute“ mehr,  sondern arme Evakuierte!.

 

3.  Kriegsende, Besatzung und erste Begegnung

Wir gewöhnten uns ein.  Unsere mageren Lebensmittelrationen  besserten wir auf, indem wir alle einer Nebenbeschäftigung bei Verwandten und Bekannten nachgingen:  Mami und Omi schälten Kartoffeln, richteten  Salat und Gemüse vor und bügelten Wäsche , ich ging mit den Bauern aufs Feld und putzte Samstag  bei Nachbarn die Wohnung (nie hätte ich mir das früher träumen lassen!)  Die Brüder hüteten Kühe, und selbst unser Opa entsann sich alter , längst vergessener Kenntnisse und Fähigkeiten und schulterte Rechen und Mistgabel.  Dafür bekamen wir hier und da mal ein Stück Wurst oder Schinken, ein paar Eier  oder etwas Schmalz . Und, nicht zu vergessen, ein Mittag – oder Abendessen!

Im März 1944 wurden Haus und  Wohnung in Frankfurt von einer Luftmine vollkommen zerstört, unsere gesamte Habe vernichtet.  Etwas später dann,  im April 1944,  fand meine Konfirmation statt. Und um dem obligatorischen „Pflichtjahr“ zu entgehen, verblieb ich ein weiteres Jahr in der Schule, fungierte aber inoffiziell als Hilfslehrerin.  So ging die Zeit hin.

Anfang 1945 war es auch den Allerletzten klar, dass  das „Dritte Reich“ vor dem Untergang stand.
Die gefangenen Franzosen und die zwangsverpflichteten Fremdarbeiter aus dem Osten, die den Bauern zur Arbeit zugeteilt waren,  standen flüsternd zusammen und warteten auf ihre Befreiung. Und manch einem im Dorf mit nicht ganz reinem Gewissen wurde es sehr mulmig zumute!

Am Karfreitag war es dann soweit. Schon am frühen Morgen kreisten sonderbare, langsam fliegende Flugzeuge über uns, und man hörte das Rasseln von Panzerketten immer näher kommen.  Weiße Tücher hingen überall aus den Fenstern, als Zeichen der bedingungslosen Kapitulation! 

Die Besetzung unseres Dorfes ging ohne größere Schwierigkeiten vonstatten,  es gab auch keine Ausschreitungen irgendwelcher Art.  Lediglich alle Waffen und Fotoapparate sollten abgegeben werden, und es wurden Sperrstunden verhängt.  Aber nach einigen Monaten  normalisierte sich die Lage weitgehend.

Dann kamen die ersten entlassenen Soldaten nach Hause, darunter auch Fritz Adrian. Nach versprengtem Umherirren auf der Flucht vor der russischen Armee war Fritz im Mai von den  Amerikanern gefangen genommen und im August schließlich entlassen worden. 22 Jahre alt, eigentlich immer noch ein Junge, aber geprägt von den Kriegsjahren und den schrecklichen Erlebnissen.

Zuhause war es für ihn zuerst sonderbar. Wie im Traum  ging er umher in Haus und Hof und Werkstatt .  Es dauerte lange,  bis er sich wieder einigermaßen heimisch fühlte.  Sein Entschluss, die Schreinerei  zu übernehmen, stand jetzt fest. Aber vor allen Dingen wollte er nun erst mal was vom Leben haben und sich umsehen in der Welt und auch unter der Weiblichkeit. Das Leben fing ja für ihn erst an!

Adrians Gretchen hatte bereits bestimmte Pläne für seine Zukunft.  Ihr schwebte als Idealbild einer zukünftigen Schwiegertochter natürlich eine tüchtige Bauerntochter vor, mit möglichst vielen schönen Äckern!  Sie hatte auch schon einige Kandidatinnen im Blickfeld, aber Fritz zeigte leider kein richtiges Interesse.  Zwar hatte er Freundinnen, mal hier und da eine, aber was Rechtes war es nicht.

Eines schönen Tages wurde er eines jungen Mädchens gewahr, das er nicht kannte. Er erkundigte sich, wer das denn sei und bekam die Auskunft, es sei die Enkelin vom Lehr – Peter,  aber es hätte  keinen Zweck, sie hätte schon einen Freund.  Na, auch gut, dachte Fritz, aber hin und wieder riskierte er doch ein Auge oder auch zwei. In der Folge begegnete er diesem Mädchen merkwürdig oft, fiel ihm nach einiger Zeit auf!  Mal zufällig auf der Straße, oder sie putzte gerade Fenster, wenn er vorbeikam, und ähnliches.  Aber es dauerte dann doch noch eine ganze Weile, bis ihm dämmerte, dass diese Begegnungen vielleicht nicht immer ganz  zufällig waren. Konnte es sein, dass auch sie ein Auge auf ihn geworfen haben könnte?!.

 

4.  Es wird ernst.

Ja,  tatsächlich.  Er war mir schon lange aufgefallen, der groß gewachsene,  junge Mann  mit dem weithin leuchtenden Blondhaar. Und es war mir auch nicht entgangen, dass er ein gewisses Interesse an mir erkennen ließ.  Aber über gelegentliche Blickkontakte und „zufällige“ Begegnungen hinaus passierte lange Zeit nichts.  Bei den in Mode gekommenen Tanzabenden forderte er mich öfter auf, aber dann traute sich keiner von uns,  etwas anderes als Belanglosigkeiten von sich zu geben.    

Es dauerte fast ein Jahr, bis wir uns bei der „Kerb“ in einem Nachbarort näher kamen, aber ab da nahm das Schicksal seinen Lauf!  Zuerst trafen wir uns heimlich und verschwiegen, mal abends hinterm Dorf auf dem Weg, mal frühmorgens vor der Gärtnerei, wo ich mittlerweile als Gartenbaulehrling beschäftigt war.. Die Eltern Adrian wunderten sich, wo sich ihr Sohn so früh herumtrieb, er musste doch eigentlich die Kühe füttern und den Stall ausmisten!  Und auch meine
Familie wurde recht bald aufmerksam, denn was bleibt schon in einem kleinen Dorf lange geheim. Selbstverständlich wurde ich gehörig in die Mangel genommen!  Unmissverständlich bekam ich zu hören, dass diese Geschichte unmöglich sei und beendet werden müsse, sofort!  Man wolle ja schließlich  bald nach Frankfurt zurück, da hätte ich doch ganz andere Möglichkeiten, als hier auf dem Dorf zu versauern!

Auch die Eltern Adrian waren natürlich alles andere als begeistert von der Möglichkeit,  eine aus der Stadt ins Haus zu bekommen. Für mich sprach schließlich nur, dass mein Großvater hier geboren war und dass ich allgemein als „tüchtig und fleißig“ galt, und das schien  ein bisschen wenig für ihren einzigen Sohn.   Ich hatte ja, bedingt durch  Kriegsjahre und  „Währungsreform“,  weder Aussteuer noch Geld vorzuweisen, und schon gar keine Äcker!  Aber es half alles nichts:  der beiderseitige Widerstand bewirkte genau das Gegenteil. Das Gefühl „ wir beide gegen die Welt“ – wie im Film oder Roman! – bestärkte uns nur noch mehr.. Wir wollten zusammen bleiben, mochte dagegen sprechen, was da wolle, wir ignorierten einfach jegliche Bedenken.

Und so wurde ich eines Sonntags ganz offiziell im Hause Adrian vorgestellt. Unvergesslich bleibt mir das Spießrutenlaufen die Straße hoch, rechts und links an den Fenstern neugierige Gesichter, und oben am Hoftor die alte Adrians Marie, Großmutter von Fritz, als Empfangskomitee  in Schwarz!  Alles ging aber ganz gut ab.

Verlobung 1947, an meinem 18. Geburtstag.  Meine Familie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich mir die Sache doch noch  anders überlege und mit nach Frankfurt käme, wo sie nun wieder eine Wohnung gefunden hatte. Ich aber blieb  bei meinem Entschluss, und am 16. April 1949  wurde geheiratet.  Ende gut, alles gut?   -  Nicht unbedingt  ….!   

Gisela und Fritz Adrian Hochzeitsbild

 

 5.  Bei Adrians geht’s rund!  

Nun war ich also verheiratet und in Haus und Familie Adrian aufgenommen. Viel guten Willen hatte ich und ziemlich naive Idealvorstellungen, was wir jetzt alles ändern und unternehmen würden. Guten Willen  hatte ich in der Folge sehr  nötig, und meine Vorstellungen und Wünsche  mussten  erst einmal auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt werden. Das stellte sich recht bald heraus. . 

Zwar hatte Fritz schon 1947 die kleine Werkstatt aufgestockt und dazu „Trümmersteine“ aus dem zerbombten Frankfurt geholt, die einzeln in mühseliger Arbeit  von Mörtelresten befreien werden mussten.  Auch war er nun eingetragener Inhaber des Schreinereibetriebes (nicht der Gebäude!)   Aber sein Vater wollte natürlich  noch mitreden , und jede Neuerung stieß erst mal auf Widerstand.  Wie schwierig war es zum Beispiel,  mit der alten Gewohnheit aufzuräumen, alle Rechnungen erst am Jahresende zu schreiben und dann monatelang auf Geld zu warten!  Oder eine halbwegs ordentliche Buch – und Kassenführung einzurichten,  von der ich ja selbst noch nicht viel Ahnung hatte!

Es war äußerst schwer, unsere Pläne einer Betriebsvergrößerung mit den Erwartungen der Eltern Adrian in Einklang zu bringen.  Wir mühten uns nach Kräften und arbeiteten  am Tag  auf dem Acker und abends, manchmal auch nachts, zusammen in der Werkstatt. Übrigens  lernte ich dabei  ganz gut Fenster zusammenbauen, verglasen und verkitten!  Dass aber aus beidem nichts Rechtes werden konnte, liegt auf der Hand, vom Familienleben ganz zu schweigen.  Mein Opa Lehr, der wieder seinen Beruf als Architekt ausübte,  versuchte  zu helfen  und besorgte uns Aufträge über Türen und Fenster. Aber wie oft konnten wir unter den gegebenen Umständen Termine nicht einhalten, und er musste dann für seine Bauherren einigermaßen plausible Ausreden erfinden! Und darin war er leider nicht besonders gut, und es gab manchen Ärger. . 

Ärger blieb auch nicht aus  im Zusammenleben mit den Schwiegereltern, ohne eigene Wohnung,  kaum eigenes Geld,  keine Hoffnung auf schnelle Änderung!   Es war halt eine ganz andere Welt, in die ich da gekommen war und der mein Mann ja schließlich angehörte,  die konnte man nicht  so einfach  ändern!  Wie oft stand Fritz  zwischen den Fronten,  ob es sich nun um die heilige Landwirtschaft handelte,  um irgendeine Zimmerrenovierung oder auch etwas später um die Ernährung und Erziehung unserer kleinen Tochter!   Ich habe schon früher einige Geschichten hierüber erzählt, und sie hören sich recht lustig an, diese Geschichten, aber damals war mir durchaus nicht lustig zumute.  Ich war enttäuscht und verbittert!  Erst  viele Jahre später, als ich selbsr die Oma war und Sohn und Schwiegertochter ihrerseits anfingen, in Haus und Geschäft alles mögliche zu ändern und umzukrempeln und mir das gar nicht gefallen wollte,  da musste ich oft an Oma Gretchen und Opa Heine denken und wie sie sich damals bei meiner Änderungswut gefühlt haben mögen!

Jedenfalls, nach einigen so verlebten Jahren stand ich am Rande eines Nervenzusammenbruchs  und erwog ernstlich, alles liegen und stehen zu lassen  und mit meinen nunmehr zwei  Kindern auf und davon zu gehen.   Doch jetzt  wachte mein Mann auf, erinnerte sich unserer Träume und Pläne und ergriff die Initiative!  Er setzte durch, dass die Landwirtschaft aufgegeben wurde, dass wir das Obergeschoss an – und ausbauten und eine eigene Wohnung  mit  eigenem Haushalt einrichteten. Und auch, dass ihm Werkstatt, Haus und Grundstück übergeben wurde. So konnten wir endlich einen  Kredit aufnehmen und  damit anfangen, Zukunftspläne zu  verwirklichen.

Die Eltern Adrian prophezeiten Endzeit und Untergang,  aber sie gaben nach. Mit der Zeit jedoch fanden sie sich mit der neuen Situation ab, und schließlich waren sie stolz darauf, was ihr Sohn Fritz dann erreichte.

   
6. Aufschwung

Jetzt ging es aufwärts!  Wir stellten zwei Gesellen ein  und nahmen größere Aufträge an.  Ich versuchte mich zudem im Möbelhandel und wanderte guten Mutes  und mit Prospekten bewaffnet bei Bekannten  im Dorf umher und verkaufte auch Gardinen, Sofakissen,  Wandbehänge mit „röhrenden Hirschen“ und Pegulan-Fußboden.  Und  mein Opa konnte uns jetzt mit gutem Gewissen seinen Bauherren empfehlen!

Ungefähr 1956 – 57  hatte Fritz die Idee einer neuartigen Stahlzarge mit Schraubbefestigung, die man nicht mehr einmauern musste, sondern nachträglich in Türöffnungen einbaute. Diese Zarge wurde patentiert, nachdem sie lange auf Neuartigkeit geprüft worden war.  Ausgeklügelte Argumente und komplizierte Schriftsätze waren nötig, um das zu beweisen, aber es klappte schließlich.  Fritz hätte nun das Patent verkaufen können und wahrscheinlich gut daran verdient. Aber nein! Er hatte die Zarge entwickelt, er wollte sie auch selbst herstellen!  Dazu tat er sich mit dem jungen unternehmungslustigen Schlosser Rudi Mikolei zusammen, und dann begannen die beiden mit primitivsten Mitteln, in Scheune und Schuppen, aber mit unerhörtem Enthusiasmus  und viel Improvisationstalent  mit der Produktion der „ADRIK – Stahlzargen – Fertigtür“!  Aus der Verbindung beider Namen  ADR ian  und  M IK olei  entstand der Firmenname ADRIK.

Zuerst wollte es nicht so recht klappen mit dem neuen Produktionszweig. Erst als wir Außendienstler für den Vertrieb anstellten, erlangte die junge Firma ADRIK über regionale Grenzen hinaus  Bedeutung. Der Verkauf erfolgte in der Regel an private Bauherren, und so war es natürlich bald nahe liegend,  auch Fenster, Haustüren und andere Bauelemente mit zu verkaufen. Besonders bei Entwurf und Herstellung neuer Haustürmodelle war die Firma ADRIK bald einsame Spitze im hiesigen Bereich und ist es auch lange geblieben.

In den Jahren 1962  - 1968  wurden neue Werkstattgebäude errichtet, auch ein Bürogebäude mit Werkswohnung gebaut, weitere Vertreter eingestellt und  natürlich die Belegschaft wesentlich vergrößert.  Den Tücken der Buchhaltung und überhaupt der gesamten Verwaltung war ich mittlerweile Herr geworden, ich hatte – autodidaktisch! – durch  Erfahrung gelernt, besonders aus Fehlern!  Auch war ich nicht mehr allein im Büro. Zwar ging mein Mann ganz in seinem Werkstattbetrieb auf und überließ mir voll und ganz den Papierkrieg, aber mir standen jetzt – und auch später – gute Mitarbeiter und Hilfskräfte zur Seite.

Wegweisend wurde unsere Firma ADRIK durch folgendes: Als erster gewerblicher Hersteller und Bauelemente – Händler im hiesigen Raum veranstalteten wir Ausstellungen unserer Produkte und Waren auf dem „Ortenberger Kalten Markt“ und anderen Märkten. Eine echte Pioniertat zu damaliger Zeit, die großes Aufsehen und Interesse erregte!  Noch Jahre danach, als schon  andere Firmen nachgezogen hatten,  sorgten die Ausstellungen der Firma ADRIK mit ihren Sonderaktionen,  wie z. Bsp. Verlosungen, Ballonwettflügen und ähnlichem immer für Aufsehen beim breiten Publikum . Wie viel Aktivität, Improvisation, immer neue Ideen waren nötig und wurden geboren!  Es war eine fruchtbare, erfolgreiche Zeit, zwar voller Stress und Hektik – Urlaub und Ausruhen kannten wir nicht! -  aber auch eine schöne Zeit der gemeinsamen Arbeit.

1975 wurde aus dem bisherigen Einzelunternehmen heraus die Firma  „ADRIK – Bau – und Wohnelemente – Vertriebs – GmbH“ gegründet. Ihr gehörte bereits unser Sohn Klaus als Gesellschafter,  später auch als Geschäftsführer, an.  Zu dieser Zeit studierte er noch, hatte aber auch schon früher neben der Schule in allen Bereichen des Betriebes mitgearbeitet. 

1978  -  ein Schicksalsjahr. Bei meinem Mann machten sich erste Zeichen einer ernsten Erkrankung bemerkbar.  Diagnose:  Morbus Parkinson. Das war ein schwerer Schlag für ihn. Bis dahin war er doch immer rastlos tätig gewesen, trotz einer im Krieg erworbenen Herzkrankheit, die ihm ab und zu Beschwerden machte.  Ein Leben ohne Arbeit, für ihn  nicht vorstellbar! Aber nun hieß es kürzer treten. Was also tun?  Es gab schließlich eine Lösung: Nach reiflichem Überlegen beschloss unser Sohn, andere Pläne aufzugeben und sich schon jetzt ganz der Firma ADRIK und ihrem Weiterbestehen zu widmen.

Nach dem ersten Schock trug mein Mann seine Krankheit tapfer. Er ignorierte sie einfach und arbeitete weiter! Nur mehr Ruhe gönnten wir uns jetzt. Wir machten – erstmalig! – Urlaub. Wir  bauten uns ein kleines Wohnmobil aus und unternahmen schöne Reisen damit, so lange es möglich war.  Er half unserem Sohn noch nach Kräften – trotz seiner Vorbehalte! – bei der Restaurierung eines alten Fachwerkhauses auf unserem Betriebsgrundstück.(www.adrik.de)  Buchstäblich mit dem letzten Hammerschlag, als alles fertig war, legte er am 29.10.1985 sein Werkzeug für immer aus der Hand.  Er starb, noch nicht 63 Jahre alt, an plötzlichem Herzversagen. Viel zu früh, was hätten wir noch alles miteinander erleben und unternehmen können.!. Aber – und das ist ein Trost – er starb mitten aus der Arbeit heraus, ohne langes Siechtum,  leicht, schnell und ohne Schmerzen. So, wie er es sich immer gewünscht hatte.

 

7. Danach

Nach dem Tod meines Mannes übernahm unser Sohn ab 1986 die alleinige  Leitung der Firma. Seither hat sich vieles grundlegend geändert, wie meist bei einem Generationswechsel.  Klaus Adrian hat seine eigenen Ideen entwickelt und konsequent weiter verfolgt. Schon bald erkannte er die Zeichen der Zeit  und setzte weniger auf  eigene  Fertigung , als auf eine Angebots – Palette, die  sich grundlegend und deutlich vom üblichen Baumarkt – Standard unterscheidet.  Die Werkstätten sind  nach und nach zu attraktiven, informativen Ausstellungsräumen geworden, die auf jetzt ca 1000 qm Fläche ein reichhaltiges und interessantes Sortiment an Innentüren, Haustüren und Treppen bieten

Damit nicht genug.  Schon seit Jahren  hat  mein Sohn systematisch  Firma und  Vertrieb umstrukturiert und  eine umfangreiche Internet – Präsentation aufgebaut. Er ist  so in der Lage, mit relativ wenig Personal  ein Maximum an Umsatz und Ertrag zu erwirtschaften, und unser Betrieb steht heute, das muss ich wirklich anerkennen, besser da denn je.  Langjährig bewährte Mitarbeiter  unterstützen ihn, und Ehefrau und mittlerweile auch schon sein eigener Sohn, mein Enkel Peter Adrian,  stehen ihm zur Seite.  Ob die fünfte Generation der Familie Adrian die Tradition weiterhin fortsetzt, bleibt zu hoffen, muss aber abgewartet werden!

Und ich selbst?  Nun, ich habe nach dem Verlust meines Mannes die entstandene Leere zuerst hektisch mit Arbeit auszufüllen versucht.  So wie bisher im Büro ,   aber nicht immer zur Freude und mit Zustimmung meines Sohnes  -  wir hatten zu oft  unterschiedliche Meinungen!  Weiter  stürzte ich mich in verschiedene Bauvorhaben   -  wir hatten ja unser ganzes Leben lang ständig  irgend etwas angebaut, umgebaut, renoviert oder neu gebaut!  Da war auch meine alte Mutter zu pflegen, die mit meinem kranken Vater schon 1970 wieder nach Altwiedermus zu uns gezogen war. Kurz, mein Leben war ausgefüllt,  ich kam nicht zum Grübeln.

Langsam, nach und nach und in Raten, zog ich mich  aus dem Geschäft zurück. Ich habe seit längerem gelernt, ganz gut mit Computer und Internet umzugehen, und so widme  ich mich nun in der Hauptsache meinen beiden Hobbies, dem Bücher lesen und dem Schreiben.  Und ich freue mich, wenn ich ab und zu das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und für unsere Firma ADRIK Artikel und Berichte fürs Internet und  auch die eine oder andere Geschichte schreiben kann!